Der Adel gibt dem Volk, was das Volk (und er selbst) will

Das Theater der Altstadt hat mit „Royals“, Felix Krakaus ironischem Tauchgang in die Adelswelt des 21. Jahrhunderts, die Saison eröffnet.

von Petra Mosbacher-Dix

Chipstüte, Bier, Glotze … Krethi und Plethi? Doch nicht in blauseiden gemusterten Morgenmänteln und Hochmutsmienen? Im Off wird britisch über königliche Kopfbedeckungen parliert. Charles‘ Krönung? Der Adel, sich in Perücken, Frack, Rüschenkragen und Goldkorsage hüllend, begutachtet seinesgleichen im TV. Auch im eigenen Hause steht eine Krönung an. Der König ist tot – es lebe die Königin! Doch die Tochter will nicht, gar die Krone verbuddeln. Soll das Ding aufsetzen, wer es zufällig findet. Während sie tänzelt, ruft die Königinmutter in die Palastkatakomben zur Krisensitzung.
Manche Menschen haben echte Probleme, denkt man in der Premiere von Felix Krakaus „Royals” im Theater der Altstadt. Obschon es durchaus köstlich ist, wie gelangweilt Pferd Gloria zum Italo-Hit beim Rennen angefeuert wird. Auch wie die designierte Herrscherin (Mailin Klinger) bockig Lorde’s Popsong „Never be royals” … call me Queen B“ gibt, ihr Prinzgemahl (Ambrogio Vinella) am Dasein ohne Gabe für echte Aufgaben zweifelt, die Mama (Dorothea Baltzer) um Tradition und Schein bangt, der Zweitgeborene (Thomas Georgi) nach Krone und Macht trachtet, dessen bürgerliche Anwaltsgattin (Hannah Jasna Hess) lautstark lästert, obwohl sie viele royale Kriminelle kennt. „Manchmal”, antwortet sie ihrem Mann auf die Frage, ob die Familie lächerlich sei. „Immerhin manchmal nicht”, kommentiert der Historiker Stephan Malinowski.
Er sieht den Adel als Schicht zwischen Lächerlichkeit und Grausamkeit, baut er doch auf eine brutale Historie des Machterhalts.
Schwiegermama erklärt der Hochgeheirateten, allen Uniabschlüssen zum Trotz werde sie nie eine der Hochwohlgeborenen. Hart, im 21. Jahrhundert Sinn und Platz im System zwischen Tradition und Moderne zu finden. Zumal der Adelsstand 1919 nach dem Kaiserreich abgeschafft wurde.
Warum also Prunk, Pracht, Pflicht, Privilegien? War da nicht was mit Gottesgnadentum? Auch das klassische Theater – voller Könige. Und Boulewardmedien und Netflix-Serien wie „The Crown”? Das Volk giert nach Adelsstorys, die Reichsbürger wollten Heinrich XIII. Prinz Reuß an der Macht.
Christof Küster inszeniert den heiteren Diskurs als raffinierte Revue auf einer waagenartigen Bühne, auf der die Lage immer wieder kippen kann, wenn sich jemand bewegt. Das Ensemble genießt sichtlich das Spiel der Blutsbande um Contenance, Haltung, Aufmerksamkeitsheischen einer geschlossenen Gesellschaft, in der dritten Person sprechend: „Der Adel” tut dies und das.

Stuttgarter Zeitung, 13.10.2025